Chronik des Posaunenchores

Chronik des Schorndorfer Posaunenchors

„Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem Herrn, dem König!“ (Psalm 98,6) 

1898: Deutschland wird von Kaiser Wilhelm II. regiert. Ferdinand Graf von Zeppelin meldet ein Patent für einen „Lenkbaren Luftfahrzug mit mehreren hintereinander angeordneten Tragkörpern“ an, die österreichische Kaiserin Elisabeth („Sissi“) wird ermordet. Und in der Kleinstadt Schorndorf mit ihren ca. 9000 Einwohnern beginnen im Februar fünf Leute im damals 27 Jahre alten CVJM Schorndorf (der noch Ev. Jünglingsverein hieß) eine neuen Gruppe, die bis heute aktiv ist: den Posaunenchor des CVJM Schorndorf!

Als sich im Jahr 1897 die Jünglingsvereine des Remstals zu einer Bezirkskonferenz trafen um sich über ihre Erfahrungen und ihr Vereinsleben auszutauschen, waren die Schorndorfer besonders von dem Posaunenchor des Grunbacher Jünglingsvereins begeistert. Mit Unterstützung aus Grunbach beschlossen die Schorndorfer, ebenfalls einen Posaunenchor zu gründen - „zur Ehre Gottes, zur Erbauung und christlichen Freude der Vereinsmitglieder und der hiesigen Evang. Gemeinde“, wie es in der (bis heute erhaltenen) handschriftlichen Satzung heißt.

Unter der Leitung von David Palmer begannen sie, auf den neuen Instrumenten fleißig zu üben, auch wenn das anfänglich in der Nachbarschaft nicht unbedingt auf Begeisterung gestoßen haben dürfte. So wird berichtet, dass sich schließlich ein Bläser in den Keller geflüchtet und dort auf dem Mostfass sitzend weitergeübt habe. Doch das Üben führte bald zum Erfolg und so konnte der junge Posaunenchor schon nach wenigen Wochen erstmals im Gottesdienst zusammen mit der Orgel spielen. Auch das Turmblasen wurde 1898 von der Stadtmusik (heute Stadtkapelle) übernommen und wird bis heute fortgeführt.

Der Posaunenchor war schnell ein fester Bestandteil des Vereinslebens und der Kirchengemeinde und spielte bei Vereinsabenden und Evangelisationen, in Gottesdiensten, bei Beerdigungen und Weihnachtsfeiern. Auch überregionale Posaunenfeste waren fester Bestandteil des Bläserkalenders.

Doch es kam auch zu Meinungsverschiedenheiten, unter anderem über den ursprünglichen Grundsatz, keine Tanz- und Marschmusik zu blasen. 1911 löste sich der Chor sogar vorübergehend auf, doch schon kurze Zeit später fand man wieder zusammen und nahm den Dienst wieder auf. Viele Jungbläser kamen nun neu hinzu und bescherten dem Chor ein kräftiges Wachstum.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 schrumpfe der Posaunenchor durch die Einberufung vieler Bläser an die Front drastisch. Ein kleiner Rest hielt den Posaunenchor noch am Leben und begleitete noch im Mai 1915 die Grundsteinlegung des Schönblicks in Schwäbisch Gmünd. Doch als kurz darauf auch noch der Dirigent zum Kriegsdienst einberufen wurde, musste der Posaunenchor seinen Bläserdienst einstellen.

Trotz des schweren Verlustes einiger Bläser im Krieg kam das Vereinsleben nach Ende des Krieges schnell wieder in Gang und auch der Posaunenchor begann wieder zu proben. Der neue Dirigent Albert Lutz, der dann auch einen mit dem Posaunenchor eng verbundenen Männerchor gründete, leitete mit großer Hingabe und Treue fast 20 Jahre lang den Chor.

Mit dem Beginn der Diktatur des Dritten Reiches wurde das Vereinsleben und der Bläserdienst immer schwieriger. Das Turmblasen war politisch nicht mehr erwünscht und wurde auf Druck der neuen faschistischen Stadtverwaltung eingestellt. Als man den Bezirksposaunentag im Mai 1936 nach einem Festgottesdienst in der Stadtkirche mit dem traditionellen Platzkonzert auf dem Schorndorfer Marktplatz beenden wollte, wurde dies verboten. Die Ortsgruppenleitung der N.S.D.A.P. und der ihr verbundene Bürgermeister schrieben, dass dadurch „Ruhe und Ordnung in hiesiger Stadt gestört würden“ (so der Wortlaut des mit „Heil Hitler!“ unterzeichneten Briefes). Dies sorgte aber erst recht für gewaltige Unruhe und Aufregung unter den Evangelischen, die ihre Posaunenchöre sehr schätzen, sodass beim nächsten Bezirksposaunentag 1938 das Platzkonzert wider Willen doch genehmigt wurde. Doch die Freude über diesen Erfolg währte nur kurz. Im Oktober 1938 starb völlig überraschend der Dirigent Albert Lutz; kurz darauf musste sich der CVJM auflösen, um einer Beschlagnahmung seines Vermögens zu entgehen.

Der Krieg riss die Bläser vollends auseinander, doch die Bläsergemeinschaft blieb erhalten. In Briefen ermutigten sie sich gegenseitig und schickten sich auch Predigten zu. Das Lieblingslied der Bläser, „Nun danket alle Gott“ im Satz von Johann Sebastian Bach, wurde oft zitiert, besonders die zweite Strophe:

Der ewigreiche Gott woll uns bei unserm Leben

ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben

und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort

und uns aus aller Not erlösen hier und dort.

Durch diese Gnade Gottes konnte dann 1946 mit Dirigent Hermann Schock wieder neu mit dem Posaunenchor begonnen werden, sodass man 1948 voller Dankbarkeit das 50-jährige Posaunenchorjubiläum feierte.

Der Posaunenchor öffnete sich der neuen Kirchenmusik im Stile Helmut Bornefelds und gelangte mit Uraufführungen von dessen Kompositionen zu überregionaler Bekanntheit und Beachtung.

Doch der Dienstgedanke der Bläserarbeit blieb immer im Vordergrund: Als 1960/61 die Stadtkirche renoviert und anschließend die Orgel neu gebaut wurde, übernahm der Posaunenchor für über zwei Jahre mit Unterstützung umliegender Chöre die sonntägliche Gemeindebegleitung.

1963 besuchte der Chor gemeinsam mehrere evangelische Diasporagemeinden in der österreichischen Steiermark, wofür diese sehr dankbar waren.

Mit den Jahren hielten nun auch moderne Swing- und Poparrangements und Gospels Einzug in das Repertoire des Posaunenchors und Bläserinnen wurden selbstverständlich.

1998 konnte man mit einem großen Festkonzert auf 100 Jahre Dienst an Verein, Kirchengemeinden und Stadt zurückblicken.

Seit 2015 leitet nun die erste Dirigentin in der Geschichte, Sophie Pope, unseren Chor aus ca. 25 aktiven Bläserinnen und Bläsern im Alter zwischen 8 und 85 Jahren.

2018 feierten wir dann unser 120-jähriges Jubiläum mit einem Festkonzert in der Stadtkirche (siehe auch  Jubiläum 2018)

Mit Dankbarkeit blicken wir auf eine bewegte Geschichte zurück. Grob gerechnet über 12.000-mal spielte der Posaunenchor vom Kirchturm; die vielen Gottesdienste, Beerdigungen, Ständchen, Altenheim- und Krankenhauseinsätze sind unzählbar. Immer galt und gilt auch weiterhin das Leitbild der evangelischen Posaunenarbeit: Zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Gemeinde. Gott loben, das ist unser Amt!

Möge Gott auch weiterhin unseren Dienst segnen und den Posaunenchor Schorndorf noch lange erhalten!

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Hier noch eine Auflistung aller Dirigenten und Vorstände des Schorndorfer Posaunenchors (ab 1954 wurden Dirigenten- und Vorstandsamt getrennt):

Dirigenten und Vorstände:

1898-1911: David Palmer

1911-1913: August German

1913-1914: Johannes Ott

1914-1915: Karl Dehlinger

1919-1938: Albert Lutz

1938-1954: Hermann Schock

Dirigenten:

1954-1960: Fritz Lutz

1960-1963: Günther Koloska

1963-1966: Fritz Lutz

1966-1970: Dieter Wenger

1970-1972: Fritz Lutz

1972-1976: Gunther Schaible

1977-1981: Dieter Wenger

1982-1989: Martin Betsch

1990-1997: Eberhard Jakschitsch

1997-2005: Markus Heinlein

2006-2015: Dieter Wenger

2015-2023: Sophie Pope

Vorstände:

1954-1962: Fritz Lutz

1962-1970: Eugen Scheuing

1970-1974: Imanuel Retter

1974-1975: Wilhelm Althaus

1975-1976: Fritz Lutz

1976-1978: Volker Gaiser

1978-1992: Werner Hofmann

1992-2002: Richard Gaupp

2002-2015: Rolf Klostermann

2015-2016: Vorstandsteam aus Albrecht Burkhardt, Phil-David Hettinger, Gerhard Rall, Paul Stöckle und Hans Wanzke

2017-2020: Vorstandsteam aus Albrecht Burkhardt, Gerhard Rall und Simon Heckmann

ab 2020: Albrecht Burkhardt

100_Jubilaeum_CVJM_PC_2.pdf